Blutegel – die helfenden Vampire

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Wenn von Blutegeln die Rede ist, verbindet man die Vorstellung an diese Tierchen eher mit Ablehnung und Unbehagen, wie wir es auch von Spinnen, Ratten und Mäusen häufig empfinden. Gedanken, dass der Blutegel sich sehr positiv auf die menschliche Gesundheit auswirken kann, keimen da eher selten auf. Dabei wird der Blutegel schon seit mehreren Jahrtausenden bei der Behandlung von Krankheiten und Verletzungen eingesetzt.

Die Blutegeltherapie ist so alt wie die Menschheit. Neben Aderlass und Schröpfen, steht die Blutegeltherapie seit jeher auf der Liste der natürlichen Heilverfahren und das in aller Welt. Von den Germanen bis zu den indischen Göttern hatte der Blutegel stets einen besonders hohen Stellenwert. Das wird auch am Beispiel der Darstellung des indischen Ayurveda-Gottes deutlich, der in einer Hand einen Blutegel hält. Auch im Mittelalter war die Anwendung von Blutegeln weit verbreitet. In der Traditionellen Chinesischen Medizin spielt die Blutegeltherapie ebenfalls eine Rolle.

Einsatz von Blutegeln in der Praxis

Heutige Medizinische Blutegel besitzen drei Sägekiefer, die jeder für sich mit etwa 80 feinen Kalkzähnchen besetzt sind. Der Speichel des Blutegels enthält eine Vielzahl von Substanzen, die bei Menschen und Tieren gerinnungshemmende, entzündungshemmende, krampflösende, schmerzlindernde oder reinigende Wirkung erzielen können.

Bei der Blutegeltherapie wird der Egel von dem Therapeuten an den zuvor ausgesuchten Hautstellen angesetzt. Der Egel dockt sich an der Haut mithilfe seiner Sägeleisten an, der sich für den Menschen wie ein Mückenstich oder ein Einstich einer Spritze anfühlt.

Die Speichelflüssigkeit des Blutegels enthält über 20 Wirkstoffe, die in dieser einzigartigen Kombination in keinem Medikament zu finden sind. Abgesehen von den leichten und schnell vorübergehenden Nebenwirkungen, entfällt somit also die berühmte Chemie bei einer Anwendung mit Blutegeln.

 

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Einzigartige Inhaltsstoffe im Speichel des Blutegels

Die reinigende Wirkung auf Blut und Lymphflüssigkeit ist ein weiterer Aspekt, der sonst nur mit Fastenkuren oder wiederum medikamentöser Unterstützung erzielt werden kann. Die Natur hilft dem Menschen hier in einzigartiger Weise und kurbelt auch die Selbstheilungskräfte an.

Die Blutegeltherapie ist dabei gerade bei chronischen Erkrankungen als begleitende und heilungsfördernde Maßnahme zu sehen, sie ersetzt die ärztliche Begutachtung und Behandlung allerdings nicht.

Die Vergangenheit und die Gegenwart zeigen die effektiven Erfolgschancen der Blutegeltherapie auf, es ist keine Rede von Placebo-Effekt, sondern es sind die Speichelwirkstoffe des Blutegels, die auch in der Arzneimittelindustrie zum Einsatz kommen. Allerdings ist in den herkömmlichen Medikamenten auch eine Reihe von Zusatzstoffen enthalten, die beim Blutegel-Speichel wegfallen.

Wie ist der Wirkmechanismus der Blutegeltherapie?

Die Blutegeltherapie zeigt mehrere Komponenten als Wirkmechanismus. Durch den Blutentzug, der einem kleinen Aderlass gleichkommt, schwemmt verunreinigtes sowie gestautes Blut und verbrauchte Lymphflüssigkeit aus. Gleichzeitig strömen über den Speichel des Egels entzündungshemmende, schmerzlindernde, krampflösende Substanzen in den Blutkreislauf ein.

Mit der verbrauchten Lymphflüssigkeit werden auch Ablagerungen, die Blut und Lymphe stauen, ausgeschwemmt, sodass frische Lymphflüssigkeit ungehindert fließen kann. Lymphflüssigkeit und Blut sind beides wichtige Transportwege im Körper. Gerade die Lymphflüssigkeit ist für den Abtransport von Krankheitserregern und Abfallprodukten des Stoffwechsels im Körper verantwortlich.

Die Saliva, wie der Speichel auch bezeichnet wird, enthält die blutgerinnungshemmenden Substanzen Heparin, Hirudin und Calin, welche für die Blutung und die länger anhaltende Nachblutung verantwortlich sind. Weiter finden sich die entzündungshemmenden und schmerzlindernden Egline und Bdelline sowie die gewebelockernden Hyaluronidasen, welche gleichzeitig antibiotisch wirken.

Hyaluron ist vielen Frauen als Wirkstoff in Tagescremes bekannt, auch hierfür wird oftmals Speichelextrakt der Blutegel verwendet. Im Rahmen der Blutegeltherapie hat Hyaluronidase zudem eine wichtige, vorbereitende Funktion. Diese Substanz macht sozusagen durch ihre gewebelockernden Eigenschaften den Weg frei für die schmerzstillenden, antibiotischen und entzündungshemmenden Substanzen.

Bisher sind noch nicht alle Bestandteile der Saliva erforscht. Der Speichel des Blutegels, der für den Blutsaugevorgang notwendigerweise von dem Tier abgesondert wird, lässt sich also entsprechend der jeweils besonderen Wirkeigenschaften wie schmerzstillend, entzündungshemmend, krampflösend, entspannend, etc. einsetzen oder wird als wertvolles Gesamtpaket betrachtet. Das macht die Blutegeltherapie auch als Stärkung für das Immunsystem und die Aktivierung der Selbstheilungskräfte sehr interessant.

Besonders in der schmerzlindernden und abschwellenden Therapie zeigt die Blutegelbehandlung große Erfolge. Viele Patienten berichten über eine schnelle Wirkung, oft unmittelbar nach der Anwendung.

Welche Indikationen eignen sich besonders?

Die Blutegeltherapie findet in der Naturheilkunde bei einer Vielzahl von Beschwerden und Erkrankungen Anwendung. In der Praxis kommen Blutegel zum Beispiel bei Arthrosen, Rheuma, Gicht, Verspannungen, Rückenschmerzen, Krampfadern, Thrombosen, Gürtelrose, Sehnenscheidenentzündungen, Tennisarm, Blutergüssen, Tinnitus, Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen, Furunkeln, Nebenhöhlenentzündungen zum Einsatz.

In der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie (Transplantationen) werden Blutegel auch zur Stabilisierung der Blutversorgung und zur Förderung des Anwachs-prozesses bzw. der Wundheilung eingesetzt.

Blutegeltherapie wird in Deutschland von darin ausgebildeten Therapeuten, meist Heilpraktikern oder Ärzten für Naturheilverfahren, durchgeführt.