Wie entsteht ein Burnout und wie zeigt es sich im weiteren Verlauf?

Bis ein Burnout tatsächlich ausbricht, können Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte vergehen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein schleichender Prozess, der mit Kleinigkeiten, die einfach ignoriert, übersehen oder nicht wahrgenommen werden, beginnt. Das Alter ist dabei eigentlich weniger von Bedeutung, da es heute jeden Menschen, ob jung oder alt treffen kann. Vorrangig ist das Burnout aber ein Phänomen aus der Arbeitswelt, das sich mittlerweile aber auf viele Lebensbereiche anwenden lässt, weil die Hintergründe besser erforscht sind.

Hohe Anforderungen am Arbeitsplatz

Die Anforderungen an uns alle sind enorm gestiegen in den letzten Jahren. Die Arbeitswelt hat sich durch Technik, Umstrukturierungen etc.. dahingehend verändert, dass die Qualifikationen immer höher gesteckt werden und eigentlich für einen Menschen alleine gar nicht mehr zu erfüllen sind.

Wer einmal Stellenanzeigen von heute liest, der wird schnell feststellen, das ein einfacher Büroangestellter mindestens drei Fremdsprachen perfekt in Wort und Schrift beherrschen muss, in Sekretariats-Aufgaben und EDV auf dem allerneuesten Stand sein sollte, am besten noch etliche Weiterbildungen vorweisen kann, Grafik und Fotobearbeitung beherrscht, ganz abgesehen von den buchhalterischen Fähigkeiten, die seine Bewerbung perfektionieren.

Streng genommen finden sich in dieser Stelle schon vier verschiedene Berufsbereiche, für die es jeweils eigene Ausbildungsgänge gibt, aber das zählt dann nicht mehr. Die Bezahlung basiert allerdings nur auf dem niedrigsten Niveau der vier Berufe.

Angst vor Jobverlust stets im Nacken

Das da Ärger vorprogrammiert ist, bleibt nicht aus. Denn jeder, der einen Job haben will, wird sich nach Kräften bemühen, diese Kriterien zu erfüllen, sie aber dann auch in der Praxis umzusetzen ist ein anderer Punkt. Dazu kommen Vorgesetzte, die immer noch wie  vor hundert Jahren leben, weil es bequem ist. Obwohl wir in einer aufgeklärten und modernen Welt leben, ist der autoritäre Führungsstil nach wie vor an der Tagesordnung und Mitarbeiterbelange werden selten so wahrgenommen, wie es zahlreiche Richtlinien und Gesetze vorschreiben.

Da ist dann der Arbeitsplatz nicht ausreichend eingerichtet und kann auf die Dauer auch krank machen. Kommen noch notorische, quengelnde oder gar mobbende Mitarbeiter oder Chefs dazu, wird es immer schwieriger, seine Belange durchzusetzen. Genau an solch einem Punkt setzt die Angst ein. Die Angst, den Job zu verlieren.

Daher harren viele in ungeliebten Arbeitsverhältnissen aus, weil sie denken, ein neuer Job wäre aussichtslos. Der Chef bemerkt die Angst und macht Druck durch immer neue Anforderungen, immer höher, immer schneller…

Zu hohe Ansprüche an sich selbst

Burnout kann auch dadurch entstehen, dass Ziele unrealistisch gesetzt werden. Wer sich zuviel vornimmt, der gerät leicht ins Straucheln, sei es durch Zeitdruck oder unvorhergesehene Ereignisse. Gerade im Bereich der beruflichen Weiterbildung unterschätzen viele ihre Kapazitäten.

Denn wer nach einem 8 bis 10 Stunden Tag noch drei Stunden volle Konzentration liefern muss, der sollte vorher abwägen, ob dies noch in Relation zum Job steht. Aber auch persönliche Ziele können die Luft zum Atmen nehmen. Haus bauen, Familienplanung, Heirat usw. sind Dinge, die zum Leben dazu gehören, aber alles zu seiner Zeit und nicht alles auf einmal.

Immer höher, schneller, weiter

In der heutigen Gesellschaft werden zunehmend materielle Werte vermittelt. Doch diese sind nur mit Geld zu bekommen. Geld will verdient werden. Und wenn es nicht reicht, um das neue Laptop oder den größten aller Fernseher zu kaufen, dann wird noch ein Nebenjob oder sogar zwei angenommen, auf Kosten der Freizeit. Ist es das wirklich wert? Dann sitzt man nach zwei Jahren dann vor seinem neuen Fernseher und schaltet ihn nicht einmal ein, weil einem die Lust am Leben durch das Burnout vergangen ist. Daher sind die Medien und die Werbelandschaft auch nicht ganz unschuldig am Burnout-Syndrom, da sie uns ebenfalls nur die Attribute „höher, besser, schneller“ vermitteln, anstatt „langsam, normal und gelassen“.

Workaholic – wenn Arbeit süchtig macht

Burnout kann auch über Jahrzehnte entstehen, wenn Arbeit und Freizeit nie in Relation zu einander stehen. Ein Begriff, der früher gebraucht wurde (heute wird er eigentlich seit dem Thema Burnout weniger verwendet) ist der „Workoholic“. Das heißt, der Mensch ist nach seiner Arbeit süchtig. Der Antrieb zum Workoholic kann durchaus unterschiedlich sein. Die einen machen es wegen des Geldes, die anderen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Ganz wenige vielleicht, weil es ihnen Spaß macht. Wenn es Ihnen aber Spaß macht, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Burnout erleiden eher gering, denn dann empfinden sie die Arbeit nicht als Belastung.

Lebensburnout als Chance

Gibt es eigentlich auch so etwas wie ein „Lebensburnout“? Ja das gibt es. Dies trifft dann zu, wenn ein Leben eigentlich sehr ziellos und unbefriedigend verläuft. Wer nie seinen richtigen Weg gefunden hat, ist immer auf der Suche und das ist anstrengend. Eine Ausbildung folgt der nächsten, keine Arbeitsstelle passt wirklich, das Schicksal meint es nicht besonders gut und es folgen eher negative als positive Erlebnisse. Dann kann man durchaus von einem Lebensburnout sprechen. Oft ist das bei Personen zu beobachten, die Ende 30 Anfang 40 sind. Dieses Lebensburnout ist aber dann eine große Chance, den Rest des Lebens harmonisch und zufrieden zu verbringen.

Verlauf des Burnouts

Der Begriff Burnout wurde im Wesentlichen durch die Arbeitswelt geprägt, ist aber heute in allen Lebensbereichen zu finden. An einem Beispiel aus der Arbeitswelt lässt sich der Verlauf am einfachsten nachvollziehen. Dies ist dann problemlos auf alle anderen Bereiche zu übertragen.

Stellen Sie sich vor, sie erhalten den heiß ersehnten Arbeitsplatz, auf den sie sich beworben haben. Sie sind glücklich, dankbar, ja sogar enthusiastisch und wollen alles geben, um sich  und natürlich auch den anderen zu beweisen, dass Sie die oder der Richtige für den Job sind.

Wenn nun noch Faktoren wie Perfektion, Helfersyndrom oder ähnliches dazu kommen, werden Sie in den ersten Wochen und Monaten arbeiten, wie der Teufel. Pausen werden mal ausfallen gelassen, auch am Abend und an den Wochenenden bereiten Sie nach, vor oder denken über ungelegte Eier nach. Dann beginnt die Woche wieder. Ihre Ergebnisse werden nicht in dem Maße, wie Sie es erwarten, gewertet, weil Sie auch daran sehr hohe Anforderungen stellen. Über Misserfolge kommen Sie nicht hinweg.

Körperliche Symptome als Signal

Ihr unerschöpfliches Engagement wird bei den Kollegen hingegen mit Misstrauen und Neid gesehen, was zu Spannungen führen kann. Die Arbeit wird zu Ihrem Lebensinhalt, Sie sehen nach und nach weder Freunde noch Bekannte und schotten sich ab, weil sie sich schon gedanklich auf den nächsten Tag vorbereiten. Wahrscheinlich bemerken Sie, dass Sie zunehmend mehr Kopfschmerzen bekommen, Ihr Rücken schmerzt oder aber die Verdauung funktioniert nicht mehr so, wie sonst.

Aber es wird nicht weiter ernst genommen, eine Schmerztablette, später zwei, drei usw., eine Abführtablette und dann wieder weiter, wie bisher. Wenn das Lob für besonders gute Arbeit ausbleibt oder die Anerkennung von Seiten des Vorgesetzten, des Chefs oder der Mitarbeiter fehlen, dann denken Sie, es müsste noch mehr getan werden, es reicht noch nicht.

Nachts liegen Sie wach und überlegen, was an dem Tag hätte noch besser sein können und wälzen sich im Bett hin und her. Sie beginnen die Arbeit stärker zu kontrollieren und verlieren unter Umständen dadurch noch mehr Zeit, die dann für andere Arbeiten fehlt.

Krank zur Arbeit

Besonders schwierig ist die Situation, wenn Sie in Ihrer Abteilung, der oder die Einzige sind, der/die mit den Aufgaben vertraut ist und die Verantwortung haben. Dann entsteht mit der Zeit auch ein Gefühl der Unentbehrlichkeit, was sich allerdings auch negativ auswirken kann, z.B. dann, wenn Sie krank werden. Aus Angst, dass ja sonst keiner die Aufgaben erledigen kann, schleppen Sie sich auch noch mit 40 Grad Fieber an den Arbeitsplatz und halten den Tag unter Medikamenten durch.

Auch die Angst, den Arbeitsplatz in unsicheren Zeiten zu verlieren, treibt Arbeitnehmer häufig an, sich krank zur Arbeit zu begeben oder sich nur ein bis zwei Tage, auch bei schlimmen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, krankschreiben zu lassen. Das dies aber nicht gesund ist und eher schadet, liegt auf der Hand. Auch die Arbeitgeber, die Prämien für die Arbeitnehmer versprechen, die keine Kranktage im Jahr vorweisen können, sind im Grunde genommen eine Farce zur Ausbeutung.

Doch wieder zurück zu Ihnen und dem Arbeitsplatz. Mit der Zeit steigt eine Art von Leere in Ihnen auf, die Sie sich nicht wirklich erklären können. Da Sie auf der Arbeit keine Erfüllung finden, durch die mangelnde Anerkennung, obwohl Sie soviel leisten, suchen Sie unbewusst nach einem Ausgleich, der Sie „runterbringt“, zur Ruhe bringt, damit Sie auch mal wieder Luft holen können.

Warum das alles?

Nicht selten ist in der Praxis dann der Griff zum Alkohol ein beliebtes Mittel, es wird vermehrt geraucht oder gegessen. Dies kann aber dauerhaft verheerende Folgen haben, denn wenn es anfänglich ein Glas Wein jeden Abend ist, wird es unter Umständen nach einiger Zeit eine Flasche pro Abend. Daraus kann sich ein regelrechter Rattenschwanz entwickeln. Der Alkohol muss abgebaut werden, Sie müssen Leistung bringen, sind übermüdet und leiden unter einem Kater. Und das vielleicht jeden Tag.

Mit der Zeit stellen sich Gedanken ein, die ausweglos scheinen: „Was bringt das alles? Warum habe ich keine Freude mehr am Leben?“ Immer diese Schmerzen.“ Aber es bleibt bei den Gedanken. Vielfach wird bei Personen, die am Burnout-Syndrom leiden, beobachtet, dass sie, gerade, wenn sie alleine sind, zwanghaft versuchen, einen Partner zu finden, der mit Ihnen diese Last teilen kann. In Wirklichkeit geht das natürlich nicht. Denn es ist ja nicht der fehlende Partner, der das Burnout beseitigen kann, sondern es liegt an den Lebensumständen und Einstellungen.

Auch das krampfhafte Suchen nach immer neuen und interessanteren Kontakten, in der Hoffnung, dass andere Personen ein Loch füllen können, ist in der Regel zum Scheitern verurteilt. Bei Frauen, die an Burnout erkrankt sind, zeigt es sich bisweilen auch, dass Sie meinen, wenn Sie einen Mann finden, der sie attraktiv findet und Interesse zeigt, dass damit dann die fehlende Anerkennung im beruflichen Bereich kompensiert werden kann. Aber auch das ist leider ein Trugschluss, der in der Praxis durch das ständige Suchen und nervenaufreibende Dates nur zusätzliche Anstrengung bedeutet.

Zweifel an sich selbst

Nach dieser Phase stellen sich nun langsam aber sicher, je nach Persönlichkeit, depressive Verstimmungen und sogar Angstzustände ein. Besonders häufig entsteht eine Angst vor Menschen und die Angst vorm Autofahren. Panische Gedanken steigen hervor. Das Selbstwertgefühl geht soweit in den Keller, dass Sie bei jedem Schritt in die Außenwelt denken, alle Blicke richten sich auf Sie und jeder denkt nur negativ über Sie. Das eigene Aussehen wird in Frage gestellt und bald der ganze Mensch.

Es wird an der eigenen Qualifikation gezweifelt und Sie denken: „Ich muss es noch besser machen, damit ich diesen Job auch verdiene.“ Solche Gedanken sind natürlich völlig überzogen. Diese Entwicklungen schlagen dann nach einer gewissen Zeit in eine Art „Hass“ oder Gleichgültigkeit gegen die Arbeit und andere Menschen um. Dabei sind dann nicht nur Arbeitskollegen, Vorgesetzte, Familie oder Freunde betroffen, sondern auch völlig fremde Menschen.

Aber die Aggressionen können sich auch gegen den Burnout Betroffenen selbst richten. Dies geschieht dann sehr subtil, in Form der Herabsetzung der eigenen Persönlichkeit und Gedanken, wie: „Ich darf mir nichts mehr gönnen“. Über einen längeren Zeitraum gesehen, sind zunehmende, ja auch schleichende Distanzierung und Isolation von der Außenwelt die Folge. Hinzu kommen Medikamenten- und Alkoholmissbrauch.

Skepsis und Misstrauen sind an der Tagesordnung

Sie sehen zu einem bestimmten Zeitpunkt dann keinen Sinn mehr in Ihrer Arbeit und fühlen sich nur noch ausgenutzt. Aber auch dieses Gefühl weitet sich bald auf alle anderen Bereiche des Lebens aus. Jeder nutzt einen aus und sei es nur die Verkäuferin im Laden. Das Vertrauen in andere Menschen schwindet nach und nach. Sie werden zunehmend  skeptischer, misstrauischer, verhalten sich abweisend und eventuell auch aggressiv. Auch die Ansprüche an die Umwelt werden höher. Sie messen jetzt alle Handlungen von Außen mit dem eigenen Maßstab, der aber mittlerweile völlig unrealistische Ausmaße angenommen hat.

Die Kräfte zehren immer weiter und mit der Zeit schlägt die anfängliche Arbeitswut und Euphorie um in Vernachlässigung, Konzentrationsmangel und starkes Ruhebedürfnis. Eine Egalität entsteht, die durch andauernde „Betäubung“ mit Alkohol oder Schmerzmitteln noch verstärkt wird. Dann ist es nicht mehr weit bis zum völligen Kollaps, der in einem geistigen oder körperlichen Zusammenbruch enden kann oder aber die totale Verweigerung von heute auf morgen mit sich zieht. Da Burnout ein schleichender Prozess ist, können die einzelnen Phasen des Verlaufs unterschiedlich lang andauern. Der Körper macht schon einiges mit, bis er sich endgültig zur Wehr setzt.